Bei einer fettreichen Ernährung bilden die Bakterien im Darm als Abbauprodukt vermehrt sogenannte sekundäre Gallensäuren. Ob beziehungsweise wie diese Gallensäuren Krebs am Übergang zwischen Speiseröhre und Magen in seiner frühesten Phase begünstigen und ob eine gezielte mikrobielle Therapie das Krebsrisiko reduzieren kann, soll nun ein großes Forschungsprojekt klären. Finanziert wird es von der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde National Institutes of Health (NIH) im Rahmen des US-amerikanischen Konsortiums „Program on the Origins of Gastroesophageal Cancers“. Das einzige der acht bewilligten Teilprojekte, das nicht in den USA angesiedelt ist, wird am Universitätsklinikum Freiburg geleitet und ab Januar 2023 mit umgerechnet rund 1,2 Millionen Euro für fünf Jahre gefördert.
„Wir wollen besser verstehen, wie Krebs in der Speiseröhre und den angrenzenden Bereichen des Magens entsteht. Dieses Forschungsprojekt bietet die Chance, Ursachensuche, Behandlung und Prävention bei Magen- und Speiseröhrenkrebs einen großen Schritt voranzubringen“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Michael Quante, Leiter des Bereichs für Gastrointestinale Onkologie an der Klinik für Innere Medizin II des Universitätsklinikums Freiburg.
In Deutschland erhalten jährlich mehr als 7.000 Menschen die Diagnose Speiseröhrenkrebs. Bei einem Teil davon handelt es sich um gastroösophagale Tumore, die in diesem Projekt beleuchtet werden. Über die Gründe der Entstehung ist bislang wenig bekannt, entsprechend gibt es keine gezielte Therapie. Auch die Heilungsrate ist bislang niedrig.
Stammzellen in einem sensiblen Gleichgewicht
Gemeinsam mit Projektpartner*innen der Columbia University, USA, möchte Quante unter anderem die molekularen Mechanismen aufklären, mit denen sekundäre Gallensäuren auf Stammzellen der Übergangszone zwischen Speiseröhre und Magen einwirken und wie sie krankhafte Veränderungen anstoßen. Dass diese Stammzellen bei der Krebsentstehung eine wichtige Rolle spielen, hatte Quante vor wenigen Jahren mit seinem Team herausgefunden. „Die Stammzellen sind in einem sensiblen Gleichgewicht: Im Normalzustand sind sie für die kontinuierliche Erneuerung der Speiseröhrenoberfläche verantwortlich. Bei einer zu geringen Zellerneuerung wäre der Nahrungstransport gefährdet, bei einer zu starken Erneuerung können Krebszellen entstehen. Wie sekundäre Gallensäuren dieses Gleichgewicht verschieben, möchten wir herausfinden“, erklärt Quante.
„Diese Förderung ist ein starkes Zeichen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Universitätsmedizin in Freiburg. Sie zeigt, wie wichtig und angesehen intensive Verschränkung von Forschung und Behandlung ist, wie sie für Universitätskliniken einzigartig ist“, sagt Prof. Dr. Lutz Hein, Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg und Vorstandsmitglied des Universitätsklinikums Freiburg.
Entzündungsprozesse in Organoiden nachvollziehen
Im jetzt anlaufenden Forschungsprojekt werden die Freiburger und US-Wissenschaftler*innen anhand von sogenannten Organoiden, also im Labor gezüchteten Gewebestücken, sowie an von Quante etablierten Mausmodellen und an Patient*innenproben die Zusammenhänge erforschen. „Die sekundären Gallensäuren werden im Darm durch das Mikrobiom gebildet und gelangen dann über das Blut in die Region des Mages und der Speiseröhre. Wir vermuten, dass sie dort eine Entzündung und dadurch eine übermäßige Aktivierung der Stammzellen zur Folge haben. Wenn wir die sehr frühen Signalwege besser verstehen, können wir auch Therapien wie zum Beispiel eine Veränderung des Mikrobioms suchen, die hier gezielt eingreifen“, so Quante.