Wie der Mäusedarm der Immunforschung helfen soll
Welchen Einfluss eine natürliche mikrobielle Besiedelung von Versuchstieren auf deren Immunreaktionen hat, untersucht Dr. Stephan Rosshart in einer neuen Emmy Noether-Gruppe. Dieses Projekt wird mit 2,5 Millionen Euro durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert.
Die mikrobielle Besiedelung des Darms und der Haut ist für deren gesunde und normale Funktion unerlässlich. Auch bei der Entwicklung und Ausprägung von Immunreaktionen spielt das Mikrobiom, also die Gesamtheit aller Mikroorganismen im Körper, eine wichtige Rolle. Mit einem neuartigen Ansatz erforscht nun Dr. Stephan Rosshart an der Klinik für Innere Medizin II des Universitätsklinikums Freiburg im Mausmodell das Zusammenspiel zwischen Mikrobiom und Wirt sowie die Folgen für Ausprägung und Verlauf von Immunreaktionen. Gemeinsam mit seinem Team untersucht er die immunologischen Prozesse in Tieren, die nicht – wie sonst üblich – unter sterilen Bedingungen gehalten werden, sondern eine natürliche mikrobielle Besiedelung aufweisen, die der von Wildmäusen gleicht. Mit diesem von ihm entwickelten, so genannten Wildling-Mausmodell möchte Rosshart grundlegende biologische Prinzipien bei Darmkrebs besser verstehen, aber auch bei Infektionskrankheiten wie Influenza, Sepsis, verschiedene Immuntherapien, Allergien sowie Autoimmunkrankheiten und Alzheimer. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat dafür eine Emmy Noether-Nachwuchsgruppe bewilligt und fördert diese mit 2,5 Millionen Euro für sechs Jahre.
„Mit unserem Ansatz könnte es gelingen, Darmkrebs und eine Reihe anderer komplexer immunvermittelter Erkrankungen im Tiermodell besser als bisher nachzubilden und darauf aufbauend neue und präzisere Therapieansätze zu entwickeln“, sagt Rosshart. In früheren Studien konnte er zeigen, dass die Immunantwort von Wildlingen während einer Sepsis, auch Blutvergiftung genannt, die menschliche Immunantwort besser widerspiegelt als bisherige Tiermodelle. „Wildlinge dürften eine effizientere Übertragung von tierexperimentellen Erkenntnissen auf den Menschen ermöglichen. Für zwei gescheiterte humane Studien konnten wir das bereits nachweisen“, so Rosshart. „Insofern hoffen wir, dass sich aus diesen Erkenntnissen auch konkrete Behandlungsansätze ergeben.“
„Ich freue mich sehr, dass dieses innovative und wichtige Forschungsgebiet nun in unserer Klinik etabliert ist und auch von der Deutschen Forschungsgemeinschaft so großzügig gefördert wird“, sagt Prof. Dr. Robert Thimme, Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin II am Universitätsklinikum Freiburg.
„Das Immunsystem und mögliche Fehlfunktionen besser zu verstehen ist einer der zentralen Forschungsschwerpunkte in Freiburg. Die neu eingerichtete Emmy Noether-Gruppe wird von diesem Umfeld profitieren und es ergänzen“, sagt Prof. Dr. Norbert Südkamp, Dekan der Medizinischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. „Um diese hochkomplexen Prozesse besser zu verstehen, sind Tierversuche weiterhin oft unersetzlich.“ Es gilt selbstverständlich das Prinzip, dass nur dann Tierversuche unternommen werden dürfen, wenn eine relevante Fragestellung nicht anderweitig zu untersuchen ist. Zudem muss die Zahl der Tiere auf ein Mindestmaß reduziert werden.