Innovative Multiwellplatte SpecPlate
Die innovative Wirkstoffentwicklung im Fokus – präzise, zeit- und kostensparend
Arzneimittelforschung ist aufwendig und teuer: Laboranalysen müssen in großer Zahl durchgeführt werden und der Bedarf an Verbrauchsmaterialien ist immens, unter anderem auch an Einmal-Probenträgern, die millionenfach zum Einsatz kommen. Für diese hat die Karlsruher PHABIOC GmbH nun mit der SpecPlate eine zeit- und materialsparende Alternative entwickelt. Die Serienproduktion ist bereits angelaufen.
Biopharmazeutika - also Arzneimittel, die mithilfe biotechnologischer Methoden entwickelt und hergestellt werden – sind ein schnell wachsender Markt.1) Man findet sie schon in praktisch allen Gebieten der Medizin im Einsatz, besonders als Antikörperwirkstoffe und Impfstoffe. Allerdings ist die Entwicklung extrem zeit- und materialaufwendig. Dies zu optimieren, wäre also äußerst wünschenswert – nicht nur für die Pharmaindustrie, sondern auch für Patientinnen und Patienten, die von der Entwicklung dieser neuen Wirkstoffe profitieren, die gezielter in Körpervorgänge eingreifen als herkömmlich hergestellte Arzneimittel.
Zu den häufigsten Schritten im Entwicklungsprozess solcher Substanzen gehört die Messung der Konzentration und Reinheit von gelösten Proben. Der Laborstandard hierfür ist aktuell die Spektroskopie mit UV-Strahlen, oft in 96-Well-Mikrotiterplatten im Hochdurchsatz. Diese Probenträger aus hochwertigen Kunststoffen werden dann anschließend entsorgt. Ein enormer Ressourcenverbrauch, der zudem noch nicht einmal besonders genau ist: Denn beim Pipettieren werden die Messkammern nicht immer exakt gleich befüllt, zudem entstehen Flüssigkeitsmenisken, d. h. Wölbungen der Oberfläche, die zu Messfehlern führen können. Darüber hinaus sind die zu testenden Proben häufig zunächst zu konzentriert, sodass vor dem Messen erst noch fehleranfällige Verdünnungsreihen durchgeführt werden müssen, alles weder effizient noch präzise.
Innovative Lösung möchte der bessere Standard werden
Gute Gründe, um nach einer praktikablen Alternative für den Laboralltag zu suchen, fand der Bioingenieur Dr. Carsten Radtke schon vor Jahren und begann, während seiner Promotion am KIT (Karlsruher Institut für Technologie), Methoden von 3D-Biodruck, Automatisierung und Mikrofluidik zu kombinieren und alternative Probenträger zu entwickeln. Die Probenträger können die Probleme des derzeitigen Goldstandards lösen, gleichzeitig aber trotzdem mit gängigen Pipettierrobotern befüllt und von Standardmessgeräten ausgewertet werden. Es müssen also keine teuren Zusatzgeräte angeschafft werden.
Jannik Jungmann (links) und Dr. Carsten Radtke (rechts) haben gemeinsam das Start-up PHABIOC gegründet, das sich auf Technologietransfer spezialisiert und bereits innovative Produkte auf den Markt gebracht hat. © PHABIOC GmbHMit Erfolg: Aus den Entwicklungsarbeiten des Bioingenieurs ist mittlerweile nicht nur ein konkretes, bereits seit kurzem serienreifes Produkt – die SpecPlate - entstanden, sondern auch das Start-up PHABIOC GmbH in Karlsruhe, das Radtke gemeinsam mit dem Biomedizintechniker Jannik Jungmann 2023 als Spin-off aus dem KIT gründete. „Nachdem Carsten für die SpecPlate bei der Präsentation auf einer Hochdurchsatzkonferenz 2017 enormen Zuspruch von den Experten bekommen hatte, haben wir uns entschlossen, die Idee in ein serienreifes Produkt umzusetzen und dies daraufhin mithilfe eines öffentlich geförderten ZIM-Projekts angestoßen“, berichtet Jungmann. „Bis 2021 hatten wir dann erste Funktionsmuster entwickelt und auch das Feedback von Feldtestkunden eingeholt. Allerdings hat es bis zur Markteinführung dann noch etwas gedauert: Ein herkömmliches Spritzgussverfahren musste im Reinraum und für sehr kleine Kammerhöhen etabliert werden – das ist nicht trivial. Nach umfangreichen Qualitätssicherungstests haben wir aber nun vor kurzem die Serienfertigung gestartet; die SpecPlate ist also jetzt für jedermann erhältlich und wird in Deutschland produziert.“
Plug and Play plus präzise, schnell und kostensparend
Oberflächlich betrachtet sieht die SpecPlate eigentlich aus wie eine herkömmliche Mikrotiterplatte. Im Gegensatz zu dieser besteht aber jede der 96 Messstrukturen aus einem stufenartigen Kanalsystem: Messungen können dadurch wesentlich effizienter durchgeführt werden. © PHABIOC GmbHAber was bietet die SpecPlate, das bisherige Mikrotiterplatten nicht können? Ebenso wie viele Standard-UV-Platten besteht die SpecPlate aus COC (Cycloolefin-Copolymer). Aber anders als diese ist jede der 96 Messkammern des neuartigen Probenträgers als minimal kleines, geschlossenes und stufenartiges Kanalsystem konstruiert. Die Strukturen können so mit der Probenlösung – lediglich 36 µl - befüllt werden, dass Messfehler durch ungenaues Pipettieren sowie Flüssigkeitsmenisken ausgeschlossen werden. Sie verhalten sich wie herkömmliche Küvetten; diese können jedoch nicht automatisiert werden.
Zudem gibt es in jeder einzelnen der 96 Strukturen vier verschiedene Messkammerhöhen für je vier unabhängige Konzentrationsmessungen pro Probe, sodass mit den dann insgesamt 384 Messpunkten in einem sehr großen Konzentrationsbereich gemessen werden kann und vorab keine fehleranfällige Verdünnung der Proben nötig wird. „Diese Details sparen extrem viel Zeit und Material: Konkret wird 75 Prozent weniger Labormaterial verbraucht, die Prozesszeit um ein Drittel verkürzt bei einer gleichzeitig besseren Datenqualität“, so Jungmann. „Außerdem kann die SpecPlate, quasi Plug and Play, in alle Laborgeräte und -prozesse integriert werden, z. B. Pipettierautomaten und Plate Reader. Dies alles dürfte die Mehrkosten zu den herkömmlichen Platten mehr als wettmachen.“
Derzeit sind die Experten, die für ihre SpecPlate mit dem Slogan „Wir sind der bessere Standard“ werben, auf der Suche nach weiteren Pilotkunden, denn man müsse nun erst einmal die Chance bekommen, die Vorteile des neuartigen Probenträgers konkret aufzeigen zu können: „Wir haben zwar schon Kunden, aber wir freuen uns über jeden weiteren“, sagt der Gründer. „Denn wir brauchen Feedback über jegliche Nutzung.“ Nachdem die Mikrotiterplatte nun als Serienprodukt verfügbar ist, möchte man gemeinsam mit den Kunden Platten für neue Anwendungen implementieren. Für ihr innovatives Produkt wurde das PHABIOC-Team mit dem Gründerpreis Baden-Württemberg 2024 ausgezeichnet.
Biomimetische Barrieren komplettieren effiziente Laboranalytik
Das PermeaPad® GIT ist eine artifizielle biomimetische Barriere, die die Gegebenheiten an den Grenzflächen des Gastrointestinaltrakts simuliert und damit Untersuchungen zur Wirkstoffaufnahme in den Körper in diesem Bereich ermöglicht. © PHABIOC GmbHDie SpecPlate ist aber nicht das einzige Produkt im Portfolio des jungen Unternehmens PHABIOC (für: PHArma, BIOtechnolgie, Consumables), dessen Steckenpferd der Technologietransfer ist, wie Jungmann sagt. Vom Biotechnikunternehmen innoMe, das zunächst als Realisierungspartner für die SpecPlate fungierte, und wo sich die beiden Gründer kennengelernt haben, wurde eine weitere innovative Technologie zu PHABIOC transferiert: die Marke PermeaPad®. Dabei handelt es sich um komplett artifizielle biomimetische Membranen, die verschiedene Körperbarrieren wie etwa Schleimhäute in Gastrointestinaltrakt (GIT), Nase, Haut oder Mund nachbilden und damit Simulationen der Aufnahme von Wirkstoffen über diese Grenzflächen in den Körper ermöglichen. Mithilfe solcher In-vitro Permeations-Assays soll nicht nur die Medikamentenentwicklung beschleunigt, sondern auch die 3R´s (Refining, Replacing, Reducing) von Tierversuchen umgesetzt werden.
Die GIT-Variante ist schon seit 2019 auf dem Markt, als Pads für Standard-Diffusionszellen oder in 96-Multiwellplatten für das Hochdurchsatzscreening von Arzneimitteln. Die Entwicklung des Hautmodells, die 2023 gestartet wurde, soll in Kürze abgeschlossen werden.
„Anwender gibt es bereits – sowohl aus universitärer als auch industrieller Forschung – mit positivem Feedback und schon zahlreichen veröffentlichten Publikationen“, berichtet Jungmann. „Zusammen mit Kunden wollen wir nun noch weitere Barrieren entwickeln und realisieren.“